Nach wochenlanger Vorbereitung der Wettbewerbsbeiträge im Kunstunterricht der Klasse 8d unter Leitung von Frau Hundenborn fand am Sonntag, den 19.06.2022, die Vernissage mit Preisverleihung des Kunstwettbewerbs »nieMeermüll« im Clemens-August-Forum Brühl statt (wir berichteten). Der Titel des Wettbewerbs bezeichnet bereits das Anliegen des vom Rotary Club Brühl in Kooperation mit der Stadt Brühl für alle Brühler Schulen und ihre Schülerschaft ausgerichteten Plastik‑Kunstprojekts: Die Veranstalter möchten einen Beitrag für die Umweltbildung leisten, auf entsprechende Probleme aufmerksam machen und Schüler/-innen aller Altersgruppen die Möglichkeit eröffnen, sich künstlerisch mit dieser Problematik auseinanderzusetzen. Aus diesem Grund sollten die Arbeiten aus Upcycling‑Materialien gestaltet werden. Jede Schule hatte die Möglichkeit, pro Altersgruppe fünf Werke für den Wettbewerb einzureichen.
Das Erzb. St. Ursula-Gymnasium nahm am Kunstwettbewerb in zwei Altersgruppen teil und reichte insgesamt zehn künstl.-praktische Arbeiten der Sekundarstufe I und II ein. Neben der Klasse 8d für die Altersgruppe II (11–15 Jahre), betreut von Frau Hundenborn, nahm auch die Oberstufe, vier Kurse der Einführungsphase und der Qualifikationsphase unter der Leitung von Herrn Blumenschein, für die Altersgruppe III (16–20 Jahre) teil.
Nach den Grußworten des Bürgermeisters der Stadt Brühl, des Vorstands von »End Plastic Soup Deutschland« sowie des amtierenden Präsidenten des Rotary Clubs Brühl gab die Jury die Preisträgerinnen und Preisträger der drei Altersgruppen bekannt: Mit dem zweiten Preis (Altersgruppe II) prämierten die Juroren das Werk »Zerstörung der Natur – Du hast die Wahl!« von Lavinia Maturi, Leni Meier und Diana Schnarr (Klasse 8d). Bei der künstlerischen Arbeit handelt es sich um eine mehrschrittige Installation mit Anteilen einer Performance, für welche die drei Schülerinnen folgende Worte finden:
»Willst Du verantwortlich sein? Dieser Frage stellt sich das Kunstwerk »Zerstörung der Natur – Du hast die Wahl!«, indem es den Betrachter auffordert, sich interaktiv mit dem Kunstwerk auseinanderzusetzen. Vor dem Rezipienten liegt zunächst ein Buch, welches visuelle und textuelle Impulse beinhaltet, und diesem die Möglichkeit bietet, innezuhalten und nachzudenken. Ob der Betrachter zum Lesenden und Nachdenkenden wird, weiß man nicht. Sodann steht der Rezipient vor der eigentlichen Installation, die aus einem großen, aus Plastikmüll gefügten Hammer und einer wunderschönen, fragilen Blume aus farbigem Seidenpapier besteht. Mit einem Hinweis »Entscheide selbst« wird der Rezipient durch das Kunstwerk aufgefordert, eine Entscheidung treffen. Nimmt er den Hammer und zerstört die Blume? Diese Frage mag für viele Rezipienten zunächst einen rhetorischen Anschein haben, relativiert sich aber schnell, wenn man beispielsweise an die Performances von Marina Abramovic denkt. Ob der Mensch erneut zum Täter wird, die Blume zerstört und somit auf einer abstrakten Ebene die Umweltzerstörung fortsetzt, wird die Auseinandersetzung des Rezipienten mit diesem Kunstwerk zeigen. – Willst Du verantwortlich sein?«
Folgende vier Werke der Klasse 8d gehören ebenfalls zu den von Frau Hundenborn in Rücksprache mit der Fachschaft Kunst und weiteren künstlerisch interessierten Kolleg/-innen für den Wettbewerb ausgewählten Arbeiten:
Das Werk von Julius Querbach und Patrick Hofmann (Klasse 8d), ein Stop-Motion-Film, trägt den Titel »#SaveTheSeaturtles«. Die beiden Schüler beschreiben ihre Arbeit wie folgt:
»Eigentlich trägt die Schildkröte, die als Tier für Wissen und Bedacht steht, wie allen aus dem bekannten Kinderroman »Momo« vom Michael Ende bekannt, einen Panzer, der sie vor bedrohlichen Einflüssen schützt. Dass aber der von der Natur sorgsam vorgesehene Schutz in einer Welt, deren durch den Menschen verursachte Umweltverschmutzung immer gravierendere Formen annimmt, seine Funktion nicht mehr erfüllen kann und Tiere dieser Bedrohung hilflos ausgeliefert sind, zeigt unser Stop-Motion-Film: Langsam krabbelt eine Schildkröte, deren bedachtsames Agieren, deren Wissen und Weitsicht symbolisch im physischen Panzer Ausdruck findet, über den Untergrund und verliert Schritt für Schritt an körperlicher Präsenz, Kraft und Stabilität. Ihr Panzer, bestehend aus Plastikmüll, wird immer kleiner, bis schließlich nur noch das Draht-Skelett der Schildkröte übrig bleibt. Die kleine Schildkröte stirbt vor den Augen des Zuschauers, vor den Augen der Menschen, die durch ihr Handeln ihren Tod herbeigeführt haben. Was verrät uns die Schildkröte mit ihrem Weitblick in die Zukunft?
Jährlich sterben bis zu 100.000 Meeressäugetiere und Schildkröten an Plastik. Unser Kunstwerk soll den Rezipienten dazu anregen, weniger Plastik-(Müll) zu verursachen. Der Mensch, der die Schildkröte tötet, steht vor der Aufgabe, die Risiken von Plastikmüll und damit den Verlust der Biodiversität bzw. der Artenvielfalt aufzuhalten. Was wäre der Mensch ohne Kassiopeia, welche die Welt auf ihrem Rücken trägt?«
Bei dem Werk »No time to die« von Frederike Knieps und Mia Mager (Klasse 8d) handelt es sich um eine Installation mit Sound-Elementen:
»Unser Projekt stellt die zur Hälfte mit Plastikmüll gefüllte Erde dar. Durch einen von Menschen gemachten Tropf, welcher der auf einem Kissen gebetteten kranken Erde über eine Infusion konstant Plastikmüll zuführt, entwickelt sich der Krankheitsverlauf des Patienten negativ. Der Gast am Krankenbett der Erde hört gleichzeitig über eine akustische Soundaufnahme den Herzschlag der Erde, die aufgrund menschlichen Handelns nicht gesunden kann.
Der Rezipient nimmt die personifizierte Erde als tödlich erkrankten Patienten wahr und wird somit aufgefordert, sich über den Prozess der Genesung Gedanken zu machen. Gleichzeitig fühlt der Rezipient nicht nur empathisch mit und nimmt auf diese Weise die Rolle eines Arztes/Heilenden oder vielleicht eines Gasts am Krankenbett eines Freundes ein, sondern erkennt, dass er gleichzeitig selbst die Erkrankung der Erde verursacht und somit auch Täter ist. Durch diese Ambivalenz (Täter und Opfer), welche eine Irritation erzeugt, wird der Rezipient zum Nachdenken angeregt. Wird er der erkrankten Erde, der er selbst angehört, das Leben schenken oder den Tod bringen?«
Als bildnerisches Verfahren haben die drei Schüler Maximilian Gasper, Max Grevink und Julian Horst (Klasse 8d) eine Installation mit Einbindung des Rezipienten gewählt. Das Werk trägt den bezeichnenden Titel »Verkehrte Welt«, in welche die drei Schüler mit folgenden Worten einführen:
»Das Werk zeigt die Illusion einer besseren Welt: Das Wasser ist klar und hat einen berückenden Blauton. Die Blume im Wasser besticht durch ihre besondere Schönheit. Dieser erste Eindruck wird unterstrichen durch die gewählte Farbigkeit: Das Werk ist durchgängig in hellen Farben gestaltet; während das Blau für Reinheit und Klarheit, für die Gesundheit einer perfekten Welt steht, in der auf den ersten Blick alles in Ordnung scheint, vermittelt die Farbe Weiß dem Rezipienten Unschuld und eine lichte Fragilität sowie Kostbarkeit der aufgereihten Objekte. Der Betrachter wähnt sich sicher – auch er trägt keine Schuld.
Das künstlerische Prinzip der Reihung und Serialität, die Verwendung von Einweckgläsern, die dem Betrachter aus dem täglichen Gebrauch vertraut sind, sowie die auf dem Hintergrund der Installation abgebildeten Einbände mehrerer Bücher mit Abbildungen zu Umweltthemen vermitteln eine Normalität, die beim Rezipienten den fast alltäglichen Eindruck hervorruft, er blicke auf/in ein (Bücher-)Regal, in dem ordentlich gereiht mehrere, aus dem regelmäßigen Gebrauch bekannte Gegenstände stehen. Diese Normalität vermittelt Ruhe und Sicherheit. Alles ist in Ordnung – die Welt ist gesund, der Natur geht es gut – das Wasser ist klar, die Blume wunderschön.
Doch schaut der Betrachter genauer hin, evoziert das Werk Irritationen: Alles scheint anders - eine »verkehrte Welt«. So erkennt der Rezipient, dass die fotografierten Bücher im Hintergrund des Werkes auf dem Kopf stehen, ebenso die drei nur mit Wasser gefüllten Einweckgläser – eine Antwort findet er nicht. Durch einen kleinen Zettel vor dem Werk, der zunächst nicht auffällt, wird er aufgefordert, das Einweckglas mit der Blume ebenfalls auf den Kopf zu stellen. Kommt er dieser Aufforderung nach, ist die Blume auf einmal von Plastikmüll umgeben, welcher sich – auf den ersten Blick nicht erkennbar – unter dem Verschluss des Einweckglases versteckt hielt. So entlarvt der Rezipient die schöne Welt als Illusion, das Gefühl der Sicherheit wird ihm genommen. Die Blase, in der wir uns alle bewegen, platzt. Wie reagiert er?«
Bei dem fünften für den Wettbewerb »nieMeermüll« ausgesuchten Werk »HELP« handelt es sich um eine Installation mit kommunikativen Elementen. Die vier Schüler/-innen Victoria Boymanns, Jule und Marie Pütz und Stella Stammel (Klasse 8d) finden für das Kommunikationsangebot folgende Worte:
»Unser Werk soll ausdrücken, dass das Tier – hier ein Tiger, ein seltenes Tier von besonderer, einzigartiger Schönheit und Kraft, ein vom Aussterben bedrohtes Tier – sich in einer Umgebung aus Plastik aufhält, die auf den ersten Blick an den natürlichen Lebensraum einer Wildkatze erinnert. Auf den zweiten Blick wird klar, dass dieser Lebensraum eine vom Menschen gemachte Lebenswelt ist, die dem Tier das Leben nimmt. So geht der Tiger durch diesen »Raum« und hinterlässt Fußspuren auf dessen Untergrund. Jede Fußspur beinhaltet einen Buchstaben, welche gemeinsam das Wort »HELP« ergeben. So ruft das Tier um Hilfe; das Tier kommuniziert mit dem Rezipienten. Der Tiger, der dem Menschen eigentlich um ein Vielfaches an Kraft und Stärke überlegen ist, bittet in einer vergifteten Lebenswelt, die sein Leben bedroht, den für die Zerstörung und Verunreinigung Verantwortlichen um Hilfe. So ist auch das starke Tier selbst teilweise bereits von Plastikmüll umhüllt.
Dieser Eindruck wird unterstützt durch die Wahl eines Glaskastens als Lebensraum, da dieser sowohl Einblick in die auf den ersten Blick »natürlich« wirkende Raumgestaltung in der Farbe Grün ermöglicht, als auch - durch die Wände aus Glas - den Tiger gefangen hält. Des Weiteren vermittelt das Glas zwischen Betrachter und Tier die Distanz, mit der viele Menschen auf das Sterben der Artenvielfalt blicken. Ein Perspektivwechsel ist notwendig: Erst wenn der Rezipient von oben – ohne durch Glas in seiner täglichen Routine vor den Auswirkungen seines Handelns »geschützt« – in den Lebensraum des Tieres hineinblickt, kann er die Worte »HELP« lesen. Nimmt der Mensch das Dialogangebot an? Wie verläuft die Kommunikation?«
Besondere Glückwünsche sprechen wir für den 2. Preis in der Altersgruppe II den Schülerinnen Diana Schnarr, Leni Meier und Lavinia Maturi aus. Die Juroren betonten in ihrer Begründung der Auszeichnung die besondere handwerkliche Qualität der Arbeit sowie die spannende Komplexität des Werks, die den Rezipienten zu einer Entscheidung zwingt. Ihr Preisgeld stiften die drei Schülerinnen der Klasse 8d der Initiative »Bye Bye Plastic Bags«, die erreicht hat, dass es auf Bali keine Plastiktüten mehr gibt. Mit dem Preisgeld sollen Bildungsbroschüren erstellt und auf anderen Inseln in Indonesien verteilt werden.
Gratulieren dürfen wir auch den beiden Schülern Tjark Bauer und Silas Frey (Q1), deren Werk »Reagenzgläser« in der Altersgruppe III mit dem dritten Preis ausgezeichnet wurde. Da das digitale Werk von Herrn Blumenschein betreut wurde, wird dieses in einem eigenen Beitrag auf der Homepage vorgestellt. Die beiden Schüler stiften ihr Preisgeld der Initiative »Recycle Up! Water-Sachets«; hierbei handelt es sich um ein Projekt in Ghana, welches durch Aufklärung verhindern möchte, dass Schülerinnen und Schüler Wasser aus Plastiksäckchen trinken, die nach Gebrauch in die Natur geworfen werden. Der Rotary Club kümmert sich vor Ort um den Abtransport und die Entsorgung bzw. Wiederverwertung der Plastikbeutel.
Die Teilnahme am Wettbewerb war sowohl für die Schüler/-innen als auch die beiden Lehrkräfte eine besondere Erfahrung.
(Hun)